POEMS OF NOW
Poems of Now
03.05-25.05
Jedes Kunstwerk ein Gedicht – eine Anrufung,
die im Zuhören aufblüht und sich im Weitererzählen entfaltet.
„Poems of Now“ versammelt dreißig künstlerische Stimmen aus aller Welt, die eine bildliche Textur aus Erinnerungen und Visionen weben – jede geprägt vom Blick ihrer Herkunft.
Gemeinsam erzählen sie von Exil und Identität,
von Zerrissenheit und Hoffnung, von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Das „Now“ ist kein isolierter Punkt, sondern ein durchscheinender Raum, in dem Erinnerungen und Sehnsüchte ineinanderfließen. Die Arbeiten bergen das Vergangene – und fragen voraus.
Sie hören den Nachklang des Gewesenen, während sie das Kommende befühlen.
Die Werke erschaffen sich aus dem Leben selbst, um unsere Realität zu erweitern, indem sie Phantasie in uns wecken. Lauschen wir den Perspektiven, die zu uns flüstern wollen?
Die Gedichte jener mannigfaltigen Erzählgemeinschaft –
eine Einladung zur gemeinsamen Suche nach dem verlorenen Sinn.
Es ist der Schmerz der Vergangenheit, der sich mit der Sehnsucht am Horizont verbinden möchte.
In einer Welt, in der die Zeit nur so entschwindend an mir vorüberrauscht,
lebe ich von Gegenwart zu Gegenwart, von Krise zu Krise, die schon von der nächsten überschattet wird. Mehr und mehr Information in immer kürzerer Zeit –
ein permanentes Update des Aktuellen. Nur: wohin damit?
Und doch warte ich auf die Anverwandlung, auf etwas, das funkelnd – dort am Horizont – erscheinen möge. Jene Gedichte möchten sich mir zeigen, wie Schätze, die mir Zeit schenken, sie anzuhören.
Jedes Gedicht ist ein Sprechakt, der sich im jetzt ereignet
und auf jenes Wunder wartet, das es herbeiruft.
Erst die Erzählung öffnet – eröffnet die Zukunft, indem sie uns hoffen lässt.
Poems of Now sind solche Erzählungen – sie sind Anrufungen,
wie Hymnen und Gebete der sumerischen, ägyptischen und altindischen Kultur.
Wie Gedichte vor der Moderne die Intention hatten, Götter anzurufen,
um ihre Gunst zu gewinnen, so erscheinen die Gedichte als anrufende Sprechakte,
um ungehörte Geschichten erklingen zu lassen.
Von der Zukunft her die Gegenwart zu sehen – das ist Trost:
Das Gedicht als Anrufung einer unerschütterlichen Hoffnung
die – selbst im Riss der Zeit – ein Licht durch das Dunkel blinzeln lässt.
„Die Hoffnung zieht den Geist eines Menschen
nicht aus der Gegenwart weg in eine utopische Zukunft,
sondern zieht umgekehrt die Zukunft Gottes
und die Zukunft des Menschen in die Gegenwart hinein.
Sie macht bereit, Leid, Schmerz und Trauer anzunehmen,
weil sie die Kraft gibt, in der Liebe zu bleiben und nicht unterzugehen.“
Die Gedichte sind keine Algorithmen,
die mich durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen optimieren, wie ich zu sein hätte.
Sie reißen mich heraus aus meiner Blase,
führen mich in ein mir bis dato unbekanntes Sinnfeld
und eröffnen mir bis dato nie gehörte Perspektiven.
Ich fühle mich, als ob ich wie durch ein Portal schwebe –
über Zeit und Raum hinweg –
und plötzlich fühle ich diese Geschichten:
vom Verlust und vom Gefunden-Werden,
vom Weggehen und Ankommen,
vom Ich und dem Anderen.
Und den Zwischentönen,
wo sich das Leben alltäglich abspielt.
Gedichte, die lautleise flüstern,
dass es wert ist, die Vergangenheit zu besprechen,
zu beweinen und auch zu umarmen –
Wie ein durchstochenes Kupferrohr, das auf Antworten zu warten scheint
und die existenziellen Fragen von Migration und Exil,
des Ankommens, des Fremdseins und der Identität stellt.
Wie eine Erinnerung von sich begegnenden Wegen –
wie zarte Federn eines Vogels aus längst vergangenen Zeiten,
die durch Himmel und Erde treiben: Wo werde ich ankommen?
Oder sind es Flüssigkeiten, welche sanft die Strukturen unseres Seins wegspülen –
nicht als Verlust, sondern als Wandlung, als ein Übergang, der Identitäten,
Körper und Geschichten immer wieder neu formt.
Ich werde leise, höre zu – den Ungehörten, dem Fremden.
Denn jede Berührung mit dem mir Fremden weist mich selbst aus – als Fremden.
Alle Gedichte: ein Echo vergangener Stimmen, auch der meinen –
und ein Flüstern der Zukunft. Und mittendrin, im Jetzt, sind sie hier.
So entstehen Bilder, welche sich mir anverwandeln.
Poems of Now lädt uns ein – in einen Raum der Reflexion:
über Zugehörigkeit, Migration und Vergänglichkeit,
und zugleich über Fragen und Sehnsüchte gegenüber der Zukunft.
Kunst bleibt nie stehen – sie transformiert, sie hinterfragt, sie verbindet.
Und in dieser Bewegung wird jedes Kunstwerk
selbst zu einem offenen Vers,
der darauf wartet, gelesen, gehört und weitergesponnen zu werden.
Now.
Welche Geschichte wird dein Poem of Now erzählen?
Michael Nickel